Venedig, Palma oder doch lieber Alanya? Der Mensch ist ein Herdentier – die alljährliche Urlaubsplanung stellt da keine Ausnahme dar. Bevor das Gepäck geschlossen wird, stecken die meisten Menschen Ratschläge von Freunden und Bekannten zwischen die Kofferdeckel. Doch die Schattenseite der Tatsache, dass wir dann genau die von ihnen vorgeschlagenen Orte für unseren Urlaub auswählen, wird uns meist erst zu spät bewusst: Und zwar dann, wenn wir uns inmitten der Touristenhochburgen wiederfinden und umgeben von Mauern aus Menschenmassen nach dem Ausweg suchen – auf Tritt und Schritt gefolgt von der Frage, ob es wirklich das ist, was wir uns unter Erholung verstehen.
Doch so muss und soll Urlaub sich nicht anfühlen. Urlaub ohne Massentourismus in Europa ist möglich: Um Overtourism aus dem Weg zu gehen, entscheiden sich immer mehr Menschen dafür, bewusst auf Ziele abseits der Massen zu setzen. Keiner der Freunde hat sich bislang auf die Vulkaninseln der Liparen gewagt? Das ist die Chance!
Die Liparen – Urlaub in Italien abseits des Massentourismus
Natur, so weit das Auge reicht, eine faszinierende Unterwasserwelt und ganz viel Unberührtheit – vor der Nordküste Siziliens warten die Liparischen Inseln darauf, Urlauber aus dem Meer des Übertourismus zu retten. Dass die sieben Inseln im Tyrrhenischen Meer von Touristenmassen bisher verschont blieben, ist angesichts ihrer beachtlichen Schönheit kaum zu glauben. Doch all jene, die bereits ihre Füße auf diese paradiesischen Stückchen Erde gesetzt haben, wissen: Hier ist Urlaub noch das, was Urlaub sein sollte. Das liegt nicht zuletzt an der Tatsache, dass die Liparischen Inseln unter dem Schutz der UNESCO stehen und somit weder Autos noch große Hotelkomplexe erlaubt sind. Aber auch die eindrucksvollen Naturkulissen wie bizarre Kraterlandschaften, schwarze Strände, sattgrüne Felder, raue Klippen und verträumte Buchten sind für den ganz eigenen Charme der Liparen verantwortlich.
Die unberührten Landschaften der sieben Eilande bieten ganz besonders Aktivurlaubern Kulissen. Denn obwohl die Inseln touristisch noch wenig erschlossen ist, müssen Ausflügler nach Wandersteigen nicht lange suchen. Doch so vielseitig wie die Landschaften der Liparen sich zeigen, sind auch die Besucher der Inselgruppe. Auch Kulturinteressierte kommen hier auf ihre Kosten. So begeistert beispielsweise Liparis Altstadt mit ihren urigen Gässchen und der auf einem Hügel thronenden Burganlage aus dem 16. Jahrhundert.
Landschaftliches Highlight der Liparen: Wanderung am aktiven Vulkan Stromboli
Er ist der aktivste Vulkan in ganz Europa: der Stromboli. Vor diesem Hintergrund wundert es kaum, dass sich immer mehr Naturfreunde auf die gleichnamige Insel verirren, in der Hoffnung, eine der Eruptionen mit eigenen Augen zu sehen. Alle zehn bis fünfzehn Minuten zieht der Vulkan mit dem lautstarken Auswurf von Gesteinsbrocken und Lavaspritzern die Aufmerksamkeit auf sich. Der Vulkan steht unter ständiger Bewachung und ist zu Zeiten starker Aktivität und größerer Ausbrüche für Touristen selbstverständlich nicht zugänglich. Gemeinsam mit einem Guide können mutige Touristen den Stromboli zu allen anderen Zeiten aber auf einer etwa dreistündigen Wanderung besteigen. Das Highlight der Tour ist der Ausblick vom höchsten Beobachtungspunkt etwa 150 Meter oberhalb der Kraters. All jene, die mit unvergesslichen Erfahrungen die Heimreise antreten wollen, sollten sich hoch hinaus wagen!

Kulturelles Highlight der Liparen: Kirche San Bartolo und Festung auf Lipari
Ganz viel Kultur dürfen Urlauber auf Lipari, der größten der Liparischen Inseln, erwarten. Liparis Burgberg mit seiner imposanten Festung kann während eines Besuchs wohl niemandem entgehen. Die Festung, die den zwischen den beiden Häfen gelegenen Berg schmückt, zieht so manchen bewundernden Blick auf sich – und das bereits seit dem 9. Jahrhundert, der Zeit der arabischen Besetzung. Mit jedem neuen Herren der Insel – den Normannen, den Schwaben, den Aragonesen und Spaniern – wurde die Burg ein wenig erweitert und umgestaltet. Das heutige Aussehen der Festung lässt sich auf das 16. Jahrhundert zurückführen. Der Burgberg belohnt für die Anstrengung des Hinaufsteigens gleich mit mehreren Sehenswürdigkeiten: Im Mauerring der Festung liegt auch die bekannte Kathedrale San Bartolomeo sowie das Archäologische Museum, das Interessierte tief in die Geschichte Liparis eintauchen lässt. Neben Fundstücken aus der Vor- und Frühzeit können Interessierte Inschriften in Nekropolen unter die Lupe nehmen. Sogar meeresarchäologische und vulkanologische Abteilungen gibt es hier.
Azoren – ein Paradies für Aktivurlauber
Kaum zu glauben, aber wahr: Stolze 1766 Vulkane haben die Azoren einst zum Leben erweckt. Das Urlaubsziel im Atlantik ist ein wahrer Geheimtipp für Urlaub ohne Massentourismus in Europa. Dass das zu Portugal gehörende Archipel von großen Touristenströmen noch verschont ist, liegt aber keinesfalls daran, dass der Besuch hier ein Tanz auf dem Vulkan ist. Eher liegt die noch sehr geringe Touristenzahl an der Abgeschiedenheit vom Festland und an den Bemühungen der Insulaner um nachhaltigen, sanften Tourismus. Drei Inseln des Archipels – Calderas Graciosa, Flores und Corvo – werden von der UNESCO sogar als Biosphärenreservate geschützt. Vulkanschlammlöcher, heiße Quellen, zerklüftete Berge, reißende Wasserfälle, tiefe Kraterseen, Höhlen und Grotten aus erstarrter Lava, Lorbeer- und Zedernwälder – die landschaftliche Vielfalt springt Urlaubern hier regelrecht ins Auge.
Obwohl die Inselgruppe der Azoren besonders Abenteuer- und Aktivurlauber lockt, so müssen auch Strandurlauber nicht den Kopf in den Sand stecken – den gibt es hier, auch wenn er schwarz ist: die dunklen Lavasandstrände zeugen von der vulkanischen Aktivität der Inselgruppe. Einzig auf der Insel Santa Maria finden sich goldgelbe Sandstrände. Besucher dürfen sich auf landschaftlich als auch kulturell faszinierende Inseln ohne Tourismus freuen!
Landschaftliches Highlight der Azoren: Die Vulkanhöhle Gruta das Torres auf Pico
Den Vulkanen haben die Azoren nicht nur ihre Entstehung zu verdanken, sondern auch eine Palette an Sehenswürdigkeiten. Eines dieser schier unendlichen landschaftlichen Highlights vulkanischen Ursprungs findet sich auf der Insel Pico. Hier wartet die erst 1990 entdeckte Vulkanhöhle Gruta das Torres darauf, Besucher in eine faszinierende Welt aus Dunkelheit und Lava zu schleusen. Mit Grubenlampe und Helm ausgestattet, dürfen Besucher einen Teil der über fünf Kilometer langen Höhle gemeinsam mit einem Guide erkunden. Dabei können sie mehr über die verschiedenen Lavastrukturen der Höhle sowie die vulkanische Entstehungsgeschichte der Insel Pico erfahren. Eines wissen die Besucher der Gruta das Torres oft allerdings schon vorab: Und zwar, dass diese Lavahöhle eines der größten Höhlensysteme weltweit ist! Gigantischen Urkräften aus dem Inneren der Erde gegenüberzustehen lässt so manchem den Mund vor Staunen offen stehen.
Wer sich nach dem Austreten aus der Höhle noch immer fühlt, als würde er im Dunkeln stehen, dem empfiehlt sich der anschließende Besuch im Besucherinformationszentrum. Weiterführende Informationen zur vulkanischen Entstehungsgeschichte sowohl der Gruta das Torres als auch der Azoren im Allgemeinen bringen Licht ins Dunkel.

Kulturelles Highlight der Azoren: Kirche Nossa Senhora da Paz
Es ist nichts Neues, dass Kirchen und Kapellen mit besonderer Architektur Aufsehen erregen. Auch die Kirche Nossa Senhora da Paz auf der Insel São Miguel stellt da keine Ausnahme dar – oder etwa doch? Das Gotteshaus thront auf einem Berg oberhalb von Vila Franca do Campo. Genau genommen ist es eigentlich nicht die Kapelle an sich, die die Blicke auf sich zieht. Vielmehr tut es die hinaufführende Treppengalerie. Besucher werden von einem Kreuzweg in die Höhe begleitet und können anhand von in Blautönen bemalten Azulejos den Leidensweg Jesu nachempfinden. All jene, die das Gefühl haben möchten, in den Himmel zu wandern, sollten sich den Besuch hier nicht entgehen lassen.
Die Marken – ein Geheimtipp in Italien zwischen Adria und Apennin
Zwischen Adria und Apennin versteckt sich ein wahrer Geheimtipp: die italienische Urlaubsregion Marken. Ihre attraktive Mischung aus idyllischen Küstenstreifen, weitläufigen Hügellandschaften und imposanten Gebirgszügen kann sie schon bald aus ihrem Schattendasein befreien. Doch bis dahin genießen Marken-Urlauber noch das berauschende Gefühl, die noch wenig erfasste Urlaubsregion ganz für sich allein zu haben. Die Marken machen Urlaub ohne Massentourismus in Europa zum Kinderspiel. Ein Urlaub in dieser Region gleicht – ganz besonders in den Städten wie etwa der Renaissancestadt Urbino – einer Entdeckungsreise auf den Spuren der Geschichte. Die von der UNESCO geschützte Stadt strotzt nur so vor architektonischer Schönheit. Dass nicht nur der Mensch, sondern auch die Natur ein großartiger Architekt ist, beweisen die landschaftlichen Highlights der Hügelregion. So staunen Urlauber im Nationalpark Monti Sibillini nicht schlecht über die bis in den Frühling schneebedeckten Gebirgsmassive.
Landschaftliches Highlight der Marken: Monte Vettore im Nationalpark Monti Sibillini
Mit seinen stolzen 2.476 Metern ist der im Nationalpark Monti Sibillini stehende Monte Vettore das Herz der Marken. Obwohl er der höchste Berg der Region ist, bietet er auch Anfängern Gipfelerlebnisse. Geübte Wanderer können den Monte Vettore oft in einer Tagestour bewältigen. Bergsteiger werden vom Gipfel des Monte Vettore für ihre Anstrengungen belohnt. Ganz besondere Ausblicke über den Nationalpark und die beiden Gletscherseen di Pilato im Tal warten. Und da sich eine solche Tagestour trotz atemberaubender Aussichten manchmal ganz schön in die Länge zieht, können sich Wanderer gleich ein paar Geschichten erzählen. Das hat man früher nicht anders gemacht: Jahrhunderte lang waren die Menschen sich sicher, dass die raue Bergregion von Feen, Dämonen, Hexen und Sagengestalten besiedelt wäre.

Kulturelles Highlight der Marken: Der Tempel von Valadier
Angekommen beim Tempel von Valadier muss so manch einer seine Augen mehrmals schließen und wieder öffnen. Eingebettet von den Berghöhlen von Frassassi macht die achteckige Kapelle fast den Anschein, sich aus einem Fantasyfilm in die Realität verirrt zu haben und sich unter das schützende Dach des Höhleneingangs zu ducken. Doch verstecken war gestern: Der beeindruckende Tempel, im Jahr 1828 für Papst Leo XII gebaut, kann den staunenden Blicken der Besucher gar nicht mehr entkommen.
Ein Besuch ist hier allerdings nicht nur wegen der neoklassischen Kirche lohnenswert. Die sie umgebenden Grotten von Frasassi, das größte Höhlensystem ganz Europas, ziehen in eine Welt aus gefrorenen Seen und glitzernden Tropfsteinen, die fast zu schön ist, um wahr zu sein.
Autorin: Berit Sellmann
Letzte Aktualisierung: 27. September 2021