Waltraud Hable ist Journalistin, Autorin und Weltenbummlerin. Sie hat ihre Zelte im schönen Wien abgebrochen und nennt nun die Welt ihr Zuhause. Unterwegs hat sie in einem Camp im südafrikanischen Busch gelebt, sich am Sambatanzen in Rio de Janeiro versucht und als unbezahltes Zimmermädchen in einem Öko-Hotel auf Maui gearbeitet. In ihrem zweiten Buch „Für alles um die Welt“, das im DuMont Reiseverlag erschien, nimmt die Aussteigerin ihre Leser mit auf eine unglaubliche Reise rund um den Globus. Uns verrät sie im Gespräch, warum sie das Nomadendasein einem geordneten Alltag vorzieht, erzählt von unvergesslichen Erlebnissen und gibt wertvolle Reisetipps für alle Menschen mit unstillbarem Fernweh.

ITRAVEL: Die Idee, Ihre Heimat zu verlassen und auf unbestimmte Zeit die Welt zu bereisen, entstand nicht über Nacht. Sie wurde vielmehr geboren aus einem Gedanken, den Sie am Anfang Ihres Buches formulieren: „Ich kann doch nicht der einzige mittelalte, spätberufene Möchtegern-Hippie mit Ausbruchsgelüsten aus dem Hamsterrad sein“. Wie denken Sie heute darüber?

WALTRAUD HABLE: Ich bin sicher nicht die einzige, aber ich glaube, ich bin doch eine von wenigen. Als ich zu meiner ersten Weltreise aufgebrochen bin, war ich Ende dreißig und habe unterwegs nicht sehr viele Leute in meinem Alter kennengelernt. Das macht einige Dinge schwieriger, zum Beispiel auf Reisen einen Job oder eine Freiwilligenstelle zu finden. Was ich sehr schade finde, denn obwohl man eine gewisse berufliche Erfahrung hat und so viel beitragen kann, wird es einem sehr schwer gemacht. Unterwegs treffe ich immer viele nette Menschen. Aber nur wenige, die in meinem Alter sind und das gleiche Leben führen wie ich.

Die Aussteigerin Waltraud Hable auf Reisen.

Ihre Entscheidung für das Nomadendasein ist ein Schritt, der wahrscheinlich einiges an Mut erfordert hat.

Ja und nein. Bei meiner ersten großen Weltreise wollte ich Job, Wohnung und alles, was ich mir in der Heimat mühsam aufgebaut hatte, nicht einfach hinschmeißen. Aber als ich nun wieder aufgebrochen bin und mich doch entschieden habe, mein gesamtes Leben in Wien aufzulösen, hat das nur zwei Wochen gedauert. Ich musste natürlich Verträge auflösen, meine Möbel einlagern und vieles organisieren, aber das war relativ zügig gemacht. Es ist erstaunlich, wie schnell man sein altes Leben hinter sich lassen und eine neue Richtung einschlagen kann. Ob dieser Schritt etwas mit Mut zu tun hat – ich glaube nicht. Denn eigentlich hat man ja nichts zu verlieren. Ich denke, ein neuer Job und eine neue Wohnung finden sich immer und es tun sich ständig Möglichkeiten auf. Deshalb möchte ich allen mitgeben: Wenn ich das kann, kannst du das auch! Und das sage ich nicht nur, weil ich kinderloser Single bin. Ich habe unterwegs auch Paare getroffen, die mit Kindern gereist sind oder während ihrer Reise ein Kind erwartet haben. Wenn man einen großen Reisetraum hat, wird sich immer ein Weg finden. Ich denke, der erste Schritt ist der wichtigste.

Als Sie beschlossen haben, Ihren Alltag hinter sich zu lassen, um gewissermaßen als Aussteigerin um die Welt zu reisen, sind Sie bei vielen Menschen in Ihrem Umfeld auf Unverständnis gestoßen. Warum sind Sie dennoch zu diesem Abenteuer aufgebrochen?

Viele haben gesagt: „Du hast doch schon eine große Weltreise gemacht und konntest dich austoben, jetzt ist auch mal gut“. Aber ich habe gemerkt, dass ich zu Hause emotional verhungere. Ich hätte natürlich meinen Alltag anders gestalten und mir neue Hobbys suchen können. Reisen ist schließlich nicht die Lösung aller Probleme. Aber für mich ist es die einfachste Form des Entertainments. Viele sagen, Reisen hat etwas mit Mut oder Abenteuerlust zu tun, ich sage: Manchmal hat es auch einfach mit Faulheit zu tun. Denn auf Reisen muss ich einfach nur rausgehen und dann unterhält mich das Leben von ganz allein. Fremde Gerüche, Kulturen, Sprachen – das ist die beste Form des Entertainments.

Ich habe außerdem diesen Hunger auf Neues und eine Ahnung, dass die Welt aus einem bestimmten Grund so groß und vielfältig ist. Ich glaube, man sollte sie sich anschauen, alles andere wäre Verschwendung. Das ständige Weggehen und wieder nach Hause zurückkehren habe ich oft genug probiert: Ich habe Urlaube gemacht, im Ausland gearbeitet und war auf Weltreise – es hat für mich einfach nicht funktioniert. Deshalb habe ich den Weg des Aussteigens eingeschlagen. Und ich wusste: Es gibt noch andere Menschen, die so denken wie ich. Aber ich werde sie nicht finden, wenn ich in Wien im Bus zur Arbeit fahre.

Ich habe diesen Hunger auf Neues und eine Ahnung, dass die Welt aus einem bestimmten Grund so groß und vielfältig ist. Ich glaube, man sollte sie sich anschauen.

Gab es einen Zeitpunkt, an dem Sie Ihre Reise am liebsten abgebrochen hätten?

Eines finde ich ganz wichtig, wenn man auf Reisen ist: Man muss nichts aushalten. Ich habe zum Beispiel Unterkünfte gewechselt, weil ich mich dort nicht wohlgefühlt habe. Unterwegs prasseln so viele Eindrücke auf mich ein, dass ich das Gefühl brauche, ein sicheres Nest, eine Schutzzone, zu haben. Als in meiner Unterkunft in Thailand plötzlich eine Schlange von der Decke fiel, war ich wirklich mit den Nerven am Ende und habe kurz an meinem Vorhaben gezweifelt. Aber der Moment, wo ich die Reise wirklich abbrechen wollte, war eine Lebensmittelvergiftung in Indien. Da war ich so geschwächt, dass ich mir nicht mal mehr Wasser holen konnte. Ich habe gemerkt: Ich muss besser auf mich aufpassen. Bis dahin bin ich einfach viel zu schnell gereist – ich war in einem Vipassana-Mediationszentrum in Thailand, habe in Vietnam und in einem Hippie-Resort auf Hawaii gearbeitet und war Freiwillige in einem Sterbehaus in Indien. Ich habe gelernt: Mein Körper muss mich noch sehr lange durch dieses Leben tragen, ich muss jetzt einen Gang runterschalten. Von da an bin ich nur noch zu Orten gereist, die ich wirklich sehen wollte, wo mein Herz mich hingeführt hat.

Die bekannten Heißluftballons in der türkischen Region Kappadokien.

Was sind Ihre Top 3 Momente, die Sie wohl nie mehr vergessen werden?

Die Ballonfahrt in Kappadokien in der Türkei bei Sonnenaufgang war wunderschön, fast schon surreal kitschig. Diese Ruhe am frühen Morgen und das Farbspektakel am Himmel waren einfach unvergesslich. Das war wohl der klassisch-schönste Moment und vor allem genau das Erlebnis, das ich zu dieser Zeit brauchte. Denn ich fühlte mich nach der Lebensmittelvergiftung einfach leer. In Kappadokien ist eine ganze Region schon in der Morgendämmerung auf den Beinen, nur um dieses Spektakel bei Sonnenaufgang möglich zu machen. Das hat mir gezeigt, dass wir alle wahrscheinlich viel mehr Schönheit in unserem Leben brauchen, als wir oft zugeben. Deshalb hat mich dieses Erlebnis so berührt.

Der zweite Moment war im Busch in Südafrika, als ich realisiert habe, dass mein Zelt ungeschützt in der Wildnis steht, inmitten vieler wilder Tiere, aber jeder den anderen leben lässt. Zu wissen, dass nur einen Kilometer entfernt ein ganzes Rudel Löwen unterwegs ist und ich mittendrin bin als ein Teil des großen Ganzen, war sehr schön.

Als drittes unvergessliches Erlebnis würde ich das Sambatanzen in Rio de Janeiro bezeichnen. Keine Ahnung, warum ich das überhaupt gemacht habe, ich bin die untalentierteste Tanzmaus, die man sich vorstellen kann. Aber ich wollte immer eine dieser selbstbewussten, verführerischen Südamerikanerinnen sein – stattdessen stand ich verzweifelt in meinen schlabbrigen Klamotten im Tanzstudio und habe keinen richtigen Hüftschwung zustande gebracht. In einer meiner letzten Tanzstunden habe ich es dann aber doch geschafft und man glaubt gar nicht, wie viele Blockaden sich mit dieser Bewegung lösen können. Auch von der Solidarität der brasilianischen Frauen war ich total fasziniert, alle haben mich angefeuert und unterstützt. Sambatanzen hat mir eine Möglichkeit gegeben, Teile meine Persönlichkeit zu entdecken, die ich sonst nicht auslebe.

Gibt es für Sie einen Reisetraum, der bislang nicht in Erfüllung gegangen ist?

Es gibt noch viel, das ich nicht gesehen habe. Ich möchte zum Beispiel unbedingt mal in die Antarktis und nach Island. Ich reise sonst eher der Sonne hinterher, aber ich glaube, langsam muss ich mich mal an den kalten Regionen der Welt versuchen. Ein Wunsch ist es außerdem, einmal alle afrikanischen Staaten mit dem Auto abzufahren. Aus logistischen Gründen wäre das aber keine Reise, die ich allein antreten würde. Denn wenn man einen Roadtrip unternimmt, ist man meist so auf das Fahren konzentriert, dass man von der Landschaft rundherum nicht viel mitbekommt. Aber einen ganz großen unerfüllten Traum habe ich eigentlich nicht. Ich bin mir sicher: Das kommt schon alles noch, ich habe ja Zeit. Die COVID-19-Pandemie verlangsamt das Reisen derzeit natürlich stark, aber ich bin überzeugt davon, dass es für jedes Reiseziel die richtige Zeit gibt.

Waltraud Hable als Aussteigerin in Rio de Janeiro.

Viele Menschen haben großes Fernweh, möchten aber ihr Leben in der Heimat nicht aufgeben. Welches Land würden Sie jemandem ans Herz legen, der einige Wochen Zeit hat und die Reise seines Lebens plant?

Mir ist es wichtig zu sagen: Ich möchte nicht das Gefühl erwecken, jeder Mensch mit Fernweh muss so wie ich aussteigen und sein „normales“ Leben hinter sich lassen. Jeder soll auf die Art die Welt entdecken, die ihn glücklich macht.

Ein Land, das ich jedem Reisenden empfehlen würde, ist Namibia. Es gibt dort so vielseitige Landschaften, vor allem natürlich große Safarigebiete, in denen man Wildtiere wie die Big Five sehen kann. Es gibt eine Straße, die schnurgerade von Windhoek nach Swakopmund führt, da ändert sich die Landschaft ständig: Es gibt goldene Sanddünen, die bis ins Meer reichen, und strahlend pinke Seen in Wavis Bay. Ich war nur eine Woche dort und hatte das Gefühl, in dieser Zeit mehrere Welten gesehen zu haben. Auch kulturell ist das Land aufgrund seiner Kolonialgeschichte wahnsinnig divers. Das Gefühl, im fernen Namibia eine deutsche Schule zu sehen oder den deutschen Namen „Herbert“ zu hören, war sehr spannend.

Mein zweiter Tipp ist Vietnam. Viele haben mir davon abgeraten und gesagt, in Südostasien sei Thailand das lohnenswerteste Reiseziel. Aber Vietnam hat mit seiner fantastischen Küche und der facettenreichen Landschaft mein Herz erobert. Besonders in der Stadt Hoi An in Zentralvietnam habe ich mich wohlgefühlt.

Es gibt Frauen, die es Ihnen gern gleichtun und allein auf Reisen gehen würden. Viele haben jedoch Bedenken wegen der Sicherheit oder Angst davor, sich einsam zu fühlen. Was sagen Sie als Alleinreisende dazu?

Wenn man es 30 oder 40 Jahre lang mit gesundem Menschenverstand durchs Leben geschafft hat, dann schafft man es auch auf Reisen. Ich verhalte mich einfach so, wie zu Hause auch. Ich nehme zum Beispiel nachts grundsätzlich ein Taxi und habe auch keine Hemmungen, die Straßenseite zu wechseln, wenn mir etwas seltsam vorkommt. Es gibt für mich keinen Grund, warum das Alleinreisen gefährlich sein sollte. Denn nur, weil man auf Reisen ist, schaltet man ja sein Gehirn nicht ab. Ich glaube, viele haben auch einfach Angst davor, zum Beispiel allein in ein Restaurant zu gehen. Aber sehe ich dort Menschen, die mit anderen am Tisch sitzen und streiten oder sich gar nichts mehr zu sagen haben. Dann finde ich es nicht mehr schlimm, nur für mich zu sein. Und die besten Tischbegleiter sind ohnehin ein Buch und ein selbstbewusstes Lächeln.

In Ihrem Buch haben Sie sechs Regeln fürs Reisegepäck aufgestellt. Welche Must-haves haben Sie auf Reisen immer dabei?

Auch für mich ist packen eher schwierig. Ich bewundere Menschen, die nur mit einem kleinen Rucksack unterwegs sind. Aber ich bin der lebende Beweis dafür, dass man auch mit einem 23 Kilogramm schweren Koffer durch die Welt reisen kann. Was ich definitiv immer dabei habe, ist meine Powerbank, um mein Handy jederzeit aufladen zu können. Auch mein Strandtuch hat mich oft gerettet, das kann praktischerweise als Turban, als Reisedecke oder auch als Schal fungieren. Mein Kosmetik-Tipp auf Reisen ist Shea-Butter, ein vielseitig anwendbarer Allrounder. Und natürlich ganz wichtig: Die Kreditkarte und den Reisepass sollte man am besten nie verlieren.

Haben Sie abschließend einen wertvollen Tipp, was Urlauber schon bei der Planung und Vorbereitung einer Reise beachten sollten?

Ob man ein ganzes Jahr oder nur eine Woche Zeit hat, man sollte sich schon bei der Reiseplanung fragen: Was genau will ich denn eigentlich, was erwarte ich von dieser Reise? Mit klassischen Must-dos oder Must-sees tue ich mich sehr schwer. Reisen ist eine sehr individuelle Sache. Wer nur den bekannten Sehenswürdigkeiten hinterherhetzt, wird für sich selbst nur wenig von einer Reise mitnehmen. Mein Tipp ist es daher, sich schon in der Vorbereitung zu überlegen, was man erleben möchte, welches Klima man bevorzugt oder was man hofft, unterwegs über sich selbst zu lernen. Die passende Destination kommt dann meist von ganz allein.

Im Gespräch: Kim Vattersen & Waltraud Hable

Fotos: Waltraud Hable

Letzte Aktualisierung: 15. April 2021