Die italienische Urlaubsregion Marken trägt genau den richtigen Namen. Denn obwohl die Region zwischen Adria und Apennin touristisch noch wenig erschlossen ist und lange ein Dasein im Schatten der beliebten Urlaubsregion Toskana fristete, besticht sie mit einer Menge “Eigenmarken”. Bereits 2005 verfasste die New York Times einen Artikel mit dem Namen “Is Le Marche the New Tuscany?”, der rasch berühmt wurde. Damals noch ein Schattendasein führend, aus dem sich lediglich die Küstenstädte Ancona oder die Renaissance-Stadt Urbino langsam befreiten, stehen die Marken mittlerweile auf einer Menge Bucketlists – und das nicht mehr allein als Alternative zur Toskana, sondern nun auch aufgrund der vielen eigenen Vorzüge dieser grünen Hügelregion – und davon gibt es wirklich jede Menge! Meisterwerke der Renaissance, Wandersteige in völliger Ursprünglichkeit oder das frühmorgendliche Treiben am Hafen – die Marken stehen ihren gefeierten Nachbarprovinzen in nichts nach und bestechen durch eine unverwechselbare Authentizität jenseits des Massentourismus. Vorhang auf: Das sind unsere Top 10 Sehenswürdigkeiten der Marken.
Die Kulturschätze der Marken – wo sich Vergangenheit und Gegenwart vereinen
Ancona
Es soll Besucher geben, die würden um Ancona, der größten Stadt der Marken, gerne einen großen Bogen machen. Im Zweiten Weltkrieg stark zerbombt und 1972 durch ein Erdbeben zusätzlich zerstört, hat die Hauptstadt nun wirklich nicht die besten Voraussetzungen zum Glänzen – zumindest nicht auf den ersten Blick. Doch all jene, die dieser Hafenstadt eine zweite Chance schenken, werden belohnt: mit dem salzigen Charme Anconas, der einfach nur mehr Zeit braucht, um in die Touristen-Herzen zu gelangen. Oberhalb des Hafens, auf dem Hügel Colle Guasco, erstreckt sich der älteste Stadtteil, der ganz oben an seiner Spitze mit einer echten Überraschung aufwartet. Hier, völlig abseits des hektischen Treibens, wacht Anconas schönste Kirche und Wahrzeichen; die mittelalterliche Kathedrale San Ciriaco. Die Mischung aus romanischen und gotischen Elementen ist nicht der einzige Grund, dem diese Kathedrale ihre Beliebtheit verdankt. Auch die bemalte Holzdecke in Form eines umgedrehten Bootes und eine hoch aufragende zwölfseitige Kuppel machen diese Kirche zu einer unverwechselbaren Marken Sehenswürdigkeit.
Zwar keine Hügel, dafür aber Treppen führen zu einem weiteren Highlight Anconas; dem Triumphbogen am Hafen. Dieser einst zu Ehren des römischen Kaisers Trajan erbaute Ehrenbogen verleiht dem Hafen seinen speziellen Charakter und ist aus dem Stadtbild kaum noch wegzudenken.

Urbino
Zwischen romantischen Hügeln und Tälern des Metauro und Foglia, versteckt sich ein reiches historisches und künstlerisches Erbe; die als UNESCO-Weltkulturerbe ausgezeichnete Stadt Urbino. Warum die historische Stadt auch den Namen “Die Wiege der Renaissance” trägt, fragt sich niemand mehr, der seinen staunenden Blick bei einem Spaziergang entlang der Gassen über Urbinos beachtliche Bauwerke hat schweifen lassen. Denn das historische Zentrum beantwortet die Frage: Reich an Gebäuden aus Sandstein und umgeben von der langen Schutzmauer aus Backstein ist der einzigartige Renaissance-Charakter hier völlig greifbar. Das ehemalige Kloster Santa Chiara, die Kirche San Domenico, das Mausoleum der Herzöge in der Kirche San Bernardino oder das Palazzo Boghi sind nur einige der bekannten Sehenswürdigkeiten in Urbino. Nicht zu vergessen ist der eindrucksvolle Palazzo Ducale, der heute als wichtigstes weltliches Renaissancebauwerk Italiens gilt. Dieser Herzogspalast lässt Geschichts- und Kunstfreunde heute noch tiefer in vergangene Zeiten eintauchen, denn er beherbergt die „Galleria Nazionale delle Marche“, eine der bedeutendsten Renaissance-Kunstsammlungen weltweit. Werke von Raffael, Piero della Francesca (mit der weltbekannten Geißelung Christi), Paolo Uccello, Tizian (mit “die Auferstehung”) und anderen Künstlern des 15. Jahrhunderts sind hier ausgestellt. Auf Streifzügen durch die Stadt gibt es aber nicht nur viel zu sehen, sondern auch zu fühlen: Der romantische Flair liegt hier förmlich in der Luft und schließt Besucher in eine feste Umarmung, die Gegenwart und Vergangenheit vereint.
Ascoli Piceno
Römerbrücken, mittelalterliche Bauten und Wettkämpfe mit Lanze und Schild – auch ein Besuch der Provinzhauptstadt Ascoli Piceno gleicht einer Reise in ferne Zeiten. Zeugen aus römischer Zeit und besonders sehenswert sind hier die Brücken Ponte di Cecco und die Ponte Romano di Solestà. Wer neben einer der schönsten Städte Italiens zugleich auch einen der ansehnlichsten italienischen Plätze auskundschaften möchte, für den gehört Ascoli Piceno definitiv auf die Bucketlist! Denn hier wartet der Piazza del Popolo, der in Gegenwart der historischen Bauwerke, die ihn umrahmen, ganz besonders prunkvoll wirkt und so manches Foto ziert. Die mit Travertin gepflasterte, von Autos nicht befahrene Piazza wird umstanden vom Ratspalast Palazzo dei Capitani del Popolo, der Chiesa San Francesco und der Loggia dei Mercanti. Am besten genießen Gäste das romantische Flair der geschichtsträchtigen Stadt in einem der vielen Restaurants, Weinbars oder Cafés – unser Tipp ist das berühmte Caffè Meletti. Ein Besuch hier lohnt sich jederzeit – in einem Monat des Jahres allerdings ganz besonders: im August. Warum das? Am ersten Sonntag im August findet hier jährlich das bedeutendste mittelalterliche Fest der Marken statt: das Reitturnier Giostra della Quintana. Der Höhepunkt der Spiele ist der Wettkampf zu Pferd. Vor Antritt werden die Reiter der sechs Stadtviertel vom Bischof gesegnet und versuchen im Anschluss, mit ihren Lanzen das Ziel, den Sarazenen, zu treffen.
Gradara
Sie wurde zur “Hauptstadt des Mittelalters” ernannt und gewann den renommierten Preis “Mittelalterliches Italien” – das Dörfchen Gradara wird zu Recht auch als Juwel Italiens bezeichnet! Im Norden der Marken, nahe der Adriaküste, erhebt sich Gradara aus der sanften Hügellandschaft der Region. Obwohl recht klein, kann das Städtchen kaum übersehen werden: Dafür sorgt die großartige Burganlage in Gradara, die hier auf etwa 142 Metern über dem Meeresspiegel liegt und dessen Wehrturm sich noch einmal 30 Meter höher gen Himmel streckt. Das Gefühl, den Himmel berühren zu können, haben in dem pittoresken Dörfchen auch die Besucher: Schlendernd durch die liebevollen Gässchen bis zur Burganlage, die eine der besterhaltensten mittelalterlichen Strukturen Italiens darstellt, scheint Gästen ein beinahe unwirkliches Gefühl auf Schritt und Tritt zu folgen.

Loreto
Klein, aber oho – mit knapp 13.000 Einwohnern ist das Städtchen Loreto am Fuße des Gebirges San Grasso zwar nicht das größte, doch in seiner Wichtigkeit könnte die Stadt kaum mehr Größe zeigen: Denn nach dem Petersdom in Rom ist Loreto der zweitwichtigste Wallfahrtsort ganz Italiens. Doch was bewegt so viele Katholiken dazu, in das kleine Städtchen nahe der Adriaküste zu pilgern? Es ist die Basilika vom Heiligen Haus, die das Ziel dieser Wallfahrer wird und Loreto zu seiner Berühmtheit verhalf. Nach einer antiken Tradition, die von historischen und archäologischen Forschungen sogar bekräftigt wurde, ist das Heilige Haus das Haus aus Nazareth, in dem Maria geboren wurde und in dem der Engel Gabriel Maria ihre Geburt Jesu verkündete. Nachdem die Kreuzritter das Heilige Land verloren hatten, soll das Haus der Heiligen Familie von Engelshand von Nazareth nach Loreto gebracht worden sein. Wer jedoch glaubt, Loreto sei nur etwas für Gläubige, der irrt. Denn mittlerweile behauptet sich Loreto als Ziel von Pilgern und Touristen gleichermaßen. Von der noch gut erhaltenen Stadtmauer aus dem 16. Jahrhundert über das Museum der Geschichte der Luftflotte bis hin zum Palazzo della Madonna mit seinen bedeutenden Kunstwerken italienischer Künstler, hat Loreto nicht nur das Zeug, seine Gäste vollständig in seinen atmosphärischen Bann zu ziehen – sondern auch in eine bewegte Vergangenheit.
Die Natur der Marken – ein großartiger Architekt
Die Höhlen von Frasassi
Der Tipp, immer schön auf dem Boden zu bleiben, gilt nicht für die Marken – denn hier dürfen Besucher ruhig viel erwarten und auch einmal unter die Erde steigen: Zum Beispiel in die Höhlen von Frasassi. Etwa 65 Kilometer südwestlich von Ancona wartet das größte Höhlensystem Europas darauf, Gäste in eine verzauberte Welt aus gefrorenen Seen und glitzernden Tropfsteinen zu entführen. Dieses 1971 entdeckte Karsthöhlensystem bringt sogar mit einer Höhle zum Staunen, in die der Mailänder Dom problemlos Platz finden würde.
Nationalpark Monti Sibillini
So zauberhaft und prunkvoll sie auch sind – um die Zeit nur in Höhlen oder eingeschlossen zwischen Gebäudefassaden zu verbringen, ist ein Urlaub in den Marken viel zu schade. All jene, die einmal in den unberührten Landschaften der Region unterwegs waren, wissen, was gemeint ist. Der wilde Nationalpark Monte Sibillini beweist, dass nicht nur der Mensch, sondern auch die Natur ein großartiger Architekt ist: Die idyllische Hochgebirgslandschaft des Nationalparks lädt zu ausgedehnten Wanderabenteuern ein, auf denen unvergessliche Ausblicke gewiss sind. Der höchste Gipfel des Bergmassivs thront in einer Höhe von ganzen 2.476 Metern und lässt sich vom Gebirgspass Forca di Presta sogar besteigen. Noch bis in den späten Frühling hinein sind Wanderern hier Streifzüge inmitten schneebedeckter Gipfel gewiss.
Nationalpark Gran Sasso e Monti della Laga
Auch im Süden der Marken erstrecken sich Naturlandschaften, die ihresgleichen suchen. Der Nationalpark Gran Sasso e Monti della Laga beheimatet die drei Bergketten Gran Sasso, Monti della Laga und Monti Gemelli. Der Corno Grande ist mit stolzen 1.912 Metern der höchste Berg des Parks, des Gran Sasso-Massivs als auch des gesamten Apenningebirges. Auf einer Wanderung durch die Schlucht Gole del Garrafo bleibt so manchem der Mund vor Staunen offenstehen.

Parco Regionale Naturale del Conero
Auch für Aktivurlauber, die sich gerne am Meer aufhalten, haben die Marken vorgesorgt. Wenige Kilometer von Ancona entfernt erstreckt sich der Küstenpark Parco Regionale Naturale del Conero und umschließt den namensgebenden Berg Monte Conero. Auf den insgesamt 18 Wanderwegen durch hügelige Zypressenlandschaften fehlt es an einem nie; der Möglichkeit zur Abkühlung. Hierfür sorgt die Adria, in die die Landzunge sich streckt. Inmitten des Parks wartet jedoch noch mehr: Auch die beiden malerischen Ortschaften Portonovo und Sirolo sorgen auf Wanderungen für Abwechslung. Nicht weit entfernt von Sirolo präsentiert sich eine eine weitere Naturschönheit: der breite Kiesstrand San Michele, der für viele einer der schönsten Strände Italiens darstellt. Die beinahe märchenhaft anmutende Bucht erfüllt die Träume eines jeden Strandurlaubers. Strandspaziergänge, Schnorcheltouren im klaren Wasser oder ausgiebiges Sonnenbaden machen an diesem von dichter Vegetation eingerahmten Strandabschnitt gleich viel mehr Spaß.
Ebenfalls ein besonderes Highlight und zweifelsfrei eine lohnenswerte Marken Sehenswürdigkeit ist der Strand Spiaggia Mezzavalle, der sich nur zu Fuß erreichen lässt und Besucher mit seinem ganz eigenen Flair dafür belohnt, an diesen magischen Ort gefunden zu haben.
Furlo Schlucht
Tiefe Spuren in der Geschichte hinterlassen – diese Redewendung kann in Zusammenhang mit einer ganz besonderen Marken Sehenswürdigkeit sogar wörtlich genommen werden: Es geht um die Furlo Schlucht. Die Schlucht zwischen Fossombrone und Acqualagna, die über Jahrtausende vom Fluss Candigliano gegraben wurde, hat schon so einiges miterlebt. Es war der römische Kaiser Vespasian, der an der engsten Stelle der Schlucht einst einen Tunnel schlagen ließ. Diese römische Ingenieurskunst kann auch heute noch bestaunt werden: Während einer Fahrt durch den Tunnel, der einst mit der Hand in den Fels gegraben wurde, ist es an mancher Stelle sogar noch möglich, die Meißelspuren am Kalkstein zu erkennen. So manch ein Bewunderer wünscht sich, die Fahrt durch den 38 Meter langen Tunnel möge noch länger dauern.
Autorin: Berit Sellmann
Letzte Aktualisierung: 08. September 2021